Es ist mindestens so kalt und ungemütlich wie der Kalte Krieg, als ich diesen Ort aufsuche. Gebaut wurde er im Kalten Krieg, für den Fall, dass der Krieg um ein Paar Grad heißer werden dürfte. Den Gerüchten nach sogar mit Nuklearwaffen ausgestattet. Beweise dafür gibt es keine. "Es gilt als gesichert" ohne Quellenangabe. Manche Geheimnisse haben sogar den Kalten Krieg überdauert.
Viel ist davon nicht übrig. Wo früher rund um die Uhr militärische Routine geherrscht hat, verirren sich heute nur selten Jugendliche auf der Suche nach einem Abenteuer, Metallsammler, Obdachlose oder irgendwelche schattigen Gestalten. Selbst für die Müll- und Metallsammler ist nicht viel übrig geblieben.
Doppelte Stacheldrahtumzäunung mit Todeszone. Heute überall Löchrig. Strategisch gut (und gemein für den Angreifer) platzierte Wachtürme. Die blinden und hier und da rissigen Panzerglasscheiben schauen einen an wie die Augen eines Blinden. Büschelweise ist das Gras durch die Risse im Beton des ehemaligen Appellplatzes gewachsen. Die Fahnenstöcke ragen verbogen in den blaugrauen Himmel empor. Von den Raketenstellungen sind nur noch die Hallen übrig. Hier und da ein Überrest Elektroinstallation oder rostiges Eisen, was nicht einmal einen verhungernden osteuropäischen Metallsammler in Versuchung führen würde.
Früher haben hier Soldaten geflucht, Offiziere Befehle erteilt, es wurden Raketen bereitgehalten und gewartet. Es ist marschiert, gesungen, gearbeitet und gelebt worden, alles im Erwarten des Momentes, der zum Glück nie gekommen ist. Diejenigen, die diesen Ort mit Leben erfüllt haben, haben keine Wahl gehabt. Die Soldaten sind wehrpflichtige gewesen, die Offiziere haben ein Teil ihrer Entscheidungsfreiheit gegen ihre Laufbahn getauscht.
Wie gibt man so ein Ort in Fotos wieder? Ein Ort, was fast in Erwartung der Endzeit gebaut worden ist? Wie wird man der Endzeitstimmung gerecht, die diese Ruinen stoisch und doch so unmerklich ausstrahlen. Alles sieht fast wie ein Computerspiel aus. Wer S.T.A.L.K.E.R. oder Half-Life gespielt hat, den wird die Ähnlichkeit verblüffen.
Das Licht ist ungünstig, aber da hat man keine Wahl. Ein anderes mal hierherkommen ist nicht. Diejenigen, die diesen Ort gelebt haben, haben auch keine Wahl gehabt. Ist schon gut so.
Genauso gut wie die Tatsache, daß der Kalte Krieg vorbei und davon meistens so wenig übriggeblieben ist.
Unabhängig davon, dass der Platz eine Erinnerung an kaltem Krieg ist, wenn ich solche verlassene Orte auf Fotos sehe, überlege ich mir, ob der Autor sich auch so – einsam – fühlt.
In Russland begegnet man solche Einrichtungen immer wieder, und ich vergleiche sie auch mit “Zona” von Strugatsky. Desto schmerzhafter ist die letzte Aussage in Dem Buch.