Selten sind sie geworden, die Touren mit dem Boxster, und fast jede fühlt sich an wie Schwanengesang. Hätte nie gedacht, wie sich das Leben mit Familie ändert, zu der auch fünf sehr anhängliche Hunde dazugehören. Hätte auch nie gedacht, daß mir eines Tages der Boxster fehlen würde, obwohl er vor der Tür steht.
An diesem Tag ist es aber wieder Zeit für eine Tour. Die Sonne scheint, die Wetterfrösche haben achtundzwanzig Grad vorausgesagt und der blaue Himmel ist nur hier und da durchzogen von fetzigen Wolken und welken Kondensstreifen. Schnell verabschiede ich mich von der Hundesitterin und sitze bald im Boxster.Gemächlich geht es über Hinterstraßen zur Autobahn. Flott umschiffe ich einige Kreisverkehre und freue mich aufs neue auf die knackige Schaltung, der direkten Lenkung und diesem unnachahmlichen Go-Kart-Fahrgefühl. Die Zeiten, als ich dieses Gefühl jeden Tag auf dem Arbeitsweg genossen habe, kommen mir im Vergleich wie Völlerei vor. Gewissermaßen waren sie es auch, doch das wird mir erst jetzt klar.
Jeder Griff zum Schalthebel, jeder Druck auf die Pedale, ja auch das Krubeln am Lenkrad, alles ist von einem Hauch Wehmut durchsetzt. Fast so, als wäre es das letzte mal. Im Kopf weiß ich zu gut, wie irrational und verwegen dieses Gefühl ist, aber dagegen anzukämpfen vermag ich nicht. Ich weiß nicht wieso.
Viel zu schnell bin ich in der Autobahn, auf der es heute nichts mit "business as usual" wird. Ein Paar Staus auf anderen Autobahnen, ein Paar Baustellen und der eine oder andere Trödler reichen aus, um eine meiner Lieblingsstrecken in einer durchgehenden Mischung aus Stop&Go und zähfließender blecherner Melasse zu verwandeln.
Es macht mir nichts aus - wenn der Boxster eins nicht verloren hat, dann ist es diese Fähigkeit, mich in einer unerschütterlichen Gefühlswelt zu versetzen, in der solche Banalitäten des täglichen Lebens wie Stau mir nichts ausmachen. Dazu Lana del Rey mit "Honeymoon" aus den Boxen. Diese Musik alleine wäre genug, um in so einem Moment auch vor der idiotischsten und blödesten Banalität eine genauso undurchdringliche wie unsichtbare Mauer hochzuziehen. So lausche ich dem frechen "High by the Beach", während es im Schrittempo durch die verdieselte Luft neben den LKWs geht, träume mit "Freak" von Stau in Kalifornien, als kurz nichts mehr geht und muss gleich zweimal hintereinader "Salvatore" hören, als ich endlich auf eine freie Autobahn komme und nach Gusto aufs Gas drücken kann.
Genauso geht es auf der Landstraße weiter und, wie immer, viel zu schnell bin ich an meinem Ziel. Die vertrauten Überbleibsel des einst mächtigen Stahlwerks grüßen mich mit ihrer einzigartigen Atmosphäre, die viel eher einem Lost Place als einem Museum ähnelt. Ich schultere den Fotorucksack, schließe den Boxster ab und gehe auf Bilderjagd.
Wie erwartet gerät das Fotografieren zu einem zähen Unterfangen. So richtig will sich dieser Ort mir durch die Linse nicht erschließen. Ein bekanntes Gefühl. Na gut, eine Idee habe ich, so sammle ich fleißig Rohstoff für Lightroom-Spielereien. In Gedanken schließe ich mit der Location ab. Auch auf die Gefahr hin, daß es eine uninspirierte Bilderserie wird. Auch hier hat sich das Gefühl geändert. Früher hätte ich mich an dem Ort festgesaugt und es fotografisch ausgequetscht wie eine Zitrone. Heute lasse ich es lieber sein.
Auf dem Weg nach Hause muss ich eine Umleitung nehmen. Macht mir nichts aus, im Gegenteil, es geht über phantastische Landstraßen mit wenig Verkehr. An diesem Tag ein Geschenk des Schicksals.
Aus den Boxen tönt "Swan Song" und mahnt mich, es auch bewußt zu genießen.