Die Farbe der Sehnsucht

Dach-zu-Jahreszeit. Grau-in-grau. Aufstehen und zur Arbeit fahren im dunklen, zurück im dunklen. Regen. Nasser Asphalt, auf dem sich die roten Lichter wiederspiegeln und zerlaufen. Undefinierte rote Flecken, wie eine riesige Sammlung von Rohrschach-Testkarten. Rot auf schwarz, rot auf dunkelgrau, tausendfach jeden Tag. Bob Seger aus den Boxen. "Out there in the spotlight you're a million miles away, every ounce of energy you try and give away, as the sweat pours out of your body like the music that you play...". OK Bob. Verstanden. Turn the Page.

Formatfüllend kommt mir eine längst vergessene Seite aus einem Stehpen-King-Roman vor den Augen. "Eddie wußte, daß die Farbe der Einsamkeit das Rot von reflektierten Bremslichtern auf nassem Asphalt war". Wie wahr. Und doch nicht ganz. Irgendwas passt da nicht. Die letzten Kilometer von dem Weg zur Arbeit reichen aber nicht, um dem auf dem Grund zu gehen. Für 8-9-10-12 Stunden weicht das zerlaufene rot dem fahlen Neonlicht und dem trüben Ambiente meiner Arbeitsstätte. Und rückt ungefähr so weit weg wie der erste schöne Tag im Jahr, wo man das Verdeck aufmachen kann.

Auf dem Weg nach Hause sind die Straßen schon trocken. Warrior Soul haben Bob Seger im CD-Player abgewechselt. Die Antwort wie die Frage sind verschwunden. Bis zum nächsten Regen.

Und der Regen kommt schon am nächsten morgen. Schneller als erwartet. Und die Tage danach regnet es immer wieder. Genauso wie die Überraschung, daß doch da jemand ist, der an einem denkt, dem man auf eine ganz besondere Weise nicht egal ist und all das aus der Tiefe der Seele erwidert. Plötzlich geht das riesige Teppich von Rohrschach-Karten wie ein einfaches Patience-Spiel auf. Es ist nicht die Farbe der Einsamkeit.

Es ist die Farbe der Sehnsucht...

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