Ein langer Tag am Ring

Fast wäre ich nicht gefahren. Fast. Nach dem Auwachen fühle ich mich so bleiern schwer, daß ich überlegt habe, die Reise zum Ring abzublasen. 24-Stunden-Rennen. Menschenmengen im Überfluß, überall Schlangen, fast wollte ich mir das an diesem Tag nicht antun. Kamera und Ausrüstung war schon fertig und trotzdem wollte ich nicht so richtig.

Nach ein Paar Stunden im Bett liegen packte mich doch die Reiselust. Abfahrt. Der fast schon obligatorische Stop am Rasthof Ville, diesmal gab es neben dem Kaffee auch einen Tankstop, um nicht in der Eifel ohne Sprit liegenzubleiben. Die Autobahnen waren voller als am Donnerstag bei der Reise zur RCN. In der Eifel angekommen, merkte ich schon, daß es 24h-Rennen ist. Viel Verkehr, es machte keinen Spaß, auf der B258 hinter Rentner Blindschleiche festzuhängen. Mit dem Parkplatz hatte ich auch nicht sonderlich viel Glück, Parkplatz C6. Mindestens 20 Minuten Fußmarsch bis zur Grand-Prix-Strecke. Sei's drum. Hauptsache dabei sein.

Bin fast fix und alle, als ich endlich an der Strecke ankomme. Goodyear-Kehre. Noch ist es relativ leer. Erwische unterwegs einen Schnappschuß von typischen Ring-Graffitti. Später sollte es das Titelbild zu diesem Post werden, doch das weiß ich noch nicht. Ring-Boulevard. Ich mache ein Paar nicht sonderlich inspirierte Fotos von der Menschenmenge und der Ausstellung zum 50sten Jubiläum des 24h-Rennens. Alte, immer noch rüstig aussehende BMWs. Der Eifelblitz von Sabine Schmitz. Der Vorjahres-Sieger-Grello. Schaue mir die Sabine-Schmitz-Ausstellung im RingWerk an und bin fast schon enttäuscht darüber. Nur eine Ecke im RingWerk, das wird der Königin des Ringes nicht gerecht, es könnte noch viel mehr sein.

Ich habe noch Zeit, bis die Startaufstellung öffnet, so schlendere ich durchs Paddock. Mache ein Paar Bilder. Als ich einen der Mechaniker ablichte, werde ich unerwartet gefragt, wo die Bilder später zu sehen sein werden. Ich gebe ihm die Adresse meiner Website. Beim Ravenol-Riesenrad gibt es ein unerwartetes Wiedersehen mit einem "alten Bekannten" - vor zig Jahren hatte ich das gleiche Riesenrad auf der St.Sebastianus-Kirmes in Düsseldorf fotografiert. Ich nehme mir die Zeit, ein Fischaugen-HDR davon zu schießen. Dazwischen lege ich noch einen Essensstop ein. Muss sein.

Startaufstellung öffnet. Es ist, wie zu befürchten war, überfüllt. Spontan wechsle ich auf Weitwinkel, so kommt man wenigsens nah genug an die Motive, daß keiner dazwischenlatschen kann. Es fühlt sich gewöhnt an, meine Lieblingsmotive kenne ich und es macht keine Mühe, die Aufnahmen zu machen. Als Bonus erwische ich ein gutes Gruppenbild von den Giti-Girls. Muss dabei innerlich lächeln. Viel zu schnell ist es vorbei und es kommt der Ruf "Zuschauer raus". Ich gehe zur Ford-Kurve.

Das Rennen geht los, so gerate ich in dem gewöhnten Motorsport-Modus. Serienfeuer, Mitzieher. Es klappt einigermaßen. Beim schnellen Durchschauen der Bilder sehe ich schon, es sind gute dabei. Ich freue mich. Bin gespannt auf die Bilder, die mir noch bevorstehen. Hatte mir nämlich vorgenommen, diesmal auch am Brünnchen und an der Hedwigshöhe vorbeizuschauen.

Bevor es soweit ist, heißt es überhaupt, einen Platz im Shuttlebus zu ergattern. Nicht einfach, zwei Busse fahren schon überfüllt vorbei, ohne zu halten. Der dritte hält, ist doch voll, bevor ich an der Reihe komme. Dafür erwische ich im vierten Bus sogar einen Sitzplatz. Es tut gut, den Fotorucksack abzulegen, mein Rücken dankt es mir. Auch wenn es nur die kurze Fahrt zum Brünnchen ist.

Am Brünnchen angekommen, merke ich sehr deutlich den Unterschied zur NLS. Es ist gerammelt voll, selbst in der Nähe der Strecke. Feuerkörbe, Grills, improvisierte Tribünen, dazu noch die Dauerbeschallung. Mal Metal, mal russischer Techno, mal Schlager. Für jeden Geschmack was dabei. Ich bahne mich den Weg zum Fotoschacht.

Unangenehme Überraschung. Für nächstes mal müsste ich es mir merken, abends ist am Brünnchen und in der Hedwigshöhe Gegenlicht. Zusätzlich will sich irgendwie keine Leichtigkeit in der Hand bei den Mitziehern einstellen. Bin ich schon müde? Egal, Dauerfeuer und draufhalten wird's richten, denke ich mir. Die Rechnung ist bisher immer noch aufgegangen. Mit genug Rohmaterial auf der Speicherkarte mache ich mich auf dem Weg zurück zur Bushaltestelle. Noch ist genug Zeit für das, was ich mir dieses Jahr vorgenommen habe. Wieder erwische ich im Bus einen Sitzplatz. Bei der Menschenmenge habe ich wohl mehr Glück als Verstand.

Zurück am Ring-Boulevard angekommen, packt mich der fotografische Ehrgeiz. Ein Paar Langzeitbelichtungen mit der ganzen Menschenmenge? Gerne doch. Mittlerweile ist die blaue Stunde angebrochen. Das Lindner-Hotel und der vermaledeite Ring Racer sind angestrahlt, so lasse ich es mir nicht nehmen, ein Foto davon zu machen. Wieder habe ich mehr Glück als Verstand, denn kaum zwei Minuten, nachdem ich das Foto gemacht habe, wird die Beleuchtung vom Lindner-Hotel abgeschaltet. Huch.

Es wird dunkler. Zeit für Leuchtspuren-Aufnahmen. Der Grund, wieso ich so spät am Ring geblieben bin. Ich versuche es auf der Bilstein-Tribüne. Mittelmäßig. An der Ford-Kurve klappt es besser. Nachdem ich endlich ein Paar gute Bilder erwischt habe, packe ich die Fotoausrüstung endgültig ein. Zeit für die Heimreise. Ich freue mich schon auf das Bilder sichten.

Mit einigem an Glück finde ich zurück zu dem Parkplatz. Ich hatte fast vergessen, wie zappenduster es nachts in der Eifel sein kann. Ab auf die Heimfahrt. Die Autobahnen sind leer, so kann ich richtig Gas geben und die Kilometerfresser-Qualitäten vom Mercedes genießen. Trotzdem sehne ich mich ein Stück nach dem Boxster.

Plötzlich piept es schrill. Scheiße. Ich schaue auf die Anzeigen. Ach was, der Attention Assist signalisiert mir, ich sollte Pause machen. Ich muss schmunzeln. In früheren Zeiten, als die Reise in die Heimat noch mit dem Auto stattfand, wäre der Assistent verrückt geworden. Trotzdem steuere ich den nächsten Rasthof an und gönne mir einen Espresso. Es ist nicht mehr weit bis zuhause.

Zuhause angekommen, fühle ich mich beiweitem nicht so müde, wie der Attention Assist signalisiert hatte. Eher überdreht, so mache ich mich ans Bilder sichten und Aussieben. Wie erwartet, ist massenhaft Ausschuß dabei, doch einige Bilder sind richtig gut geworden. Nachdem der ganze Ausschuß gesiebt ist, muss ich nicht schlecht staunen - höhere Trefferquote als beim 24h-Qualirennen.

Ich lade eine Auswahl der Bilder bei Facebook un der Fotocommunity hoch. Endlich fertig. Draußen wird es derweil wieder hell, als ich ins Bett gehe. Jetzt bin ich doch müde. Ein langer Tag am Ring geht zu Ende.

Und ich freue mich, doch zum Ring gefahren zu sein.

P.S. Die Bilder gibt es hier.

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